Glückskosmonaut
Man sagt, liebe heftig und lebe schnell,
man sagt, denk nicht ans Bereuen und an den nächsten Tag,
man sagt, lebe im Hier und Jetzt,
doch hört den Uhrenschlag,
im Hinterkopf der stete Gedanke an alles das,
was Mensch um Mensch dein Leben umgebend von sich gab,
du hörtest vom perfekten Leben und vom perfekten Plan,
du fingst an, an dir zu zweifeln,
und an, dich mit anderen zu vergleichen,
fingst an zu warten auf das richtige Zeichen
für dich, getriebene, ungeliebte Kreatur,
von einem allmächtigen Gott oder der personifizierten Natur,
oder von alle denen, die nie aufhörten zu reden und Ratschläge zu geben,
doch du wolltest nur eines
hören bei all den unergründlichen Wegen,
dass deiner der richtige sei,
denn du bist aufgewachsen wie ein jeder
in einer kleinen Box ohne Horizont und Raum,
mit alten Werten und kaum
der Fähigkeit für dich zu sprechen und für dich zu denken,
für dich zu fühlen und für dich zu lenken,
doch wie solltest du ohne die leiseste Ahnung von der Realität,
in einer Welt der unterdrückten Kreativspontanität,
ohne die leiseste Ahnung vom Sinn von alle dem.
So musst du erfragen, was sie ist, und an ihr verzweifeln,
so musst du andere fragen, was du bist, statt dich zu begreifen.
So sagt man vieles, was man nicht versteht,
was man nicht versteht, wenn man es nicht erlebt.
So frag viel lieber, was das soll.
Frag viel lieber, was das alles soll,
und bleib stehen.
Statt zu leben und zu lieben,
verfallen wir dem blinden Streben
nach alle dem, was unser nicht ist,
im Rausch der unbegrenzten Möglichkeit
auf der Suche nach unserem Glück.
Wir denken:
Ich könnte um die Welt reisen und ferne Länder sehen,
sie auf Karten markieren und Abbilder ihrer Bauten und Bäume
in Bildern immer und immer wieder duplizieren,
ich könnte die größten Geschichten darüber erzählen,
die Fotos zeigen, von Freund zu Freund hausieren gehen,
getränkt in stiller Bewunderung,
die Idee vom Könnte mit mir tragend,
bis ich müde würde auf der Suche nach meinem Glück,
getrieben von der Angst des Stillstands,
im Gefühl des verpassten Augenblicks,
der Gelegenheit, die nicht wiederkommt, versunken,
und ich merkte, dass ich mein Glück nicht finden würde,
wenn ich es an jedem Ort suche,
werde ich es an jedem nur verlieren,
denn wenn ich es an einem nicht finden kann,
werde ich es an keinem tun.
Ich könnte laufen und nie wieder stehen bleiben
und doch keinen Meter weiter kommen,
während das Bild im Spiegel älter würde und verschwommen
zu mir schaut mit traurigen Augen und traurigem Blick,
oder im Bett für immer liegen bleiben
und mich in das Paradies entfliehen,
das unter der Decke in meinem Traum erschien,
und keinen Meter weiter kommen.
Ich könnte Fallschirm springen,
getragen von der Schwerelosigkeit
statt von der leisen Trauer und von der laute Leere,
und ohne Fallschirm auf der Erde landen, um etwas zu spüren,
bis ich merkte, dass ich es nur einmal könnte und es für immer wäre.
Ich könnte mich im erbrechenden Konsum ertränken,
um mich abzulenken
von der Realität und ihren Boten,
mich im großen Haus verlaufen, in dem alles ist,
was man haben kann, nur eines nicht, mein Glück.
Ich könnte meinen Job kündigen oder mich in Arbeit verlieren.
Ich könnte auf jeder Party auftauchen oder fernab der Gesellschaft existieren.
Ich könnte meine Frau verlassen,
statt mich mit mir zu befassen,
und hoffen, eine makellose zu finden, die meine Makel verbirgt,
bis ich ersoffen in Selbstmitleid Vergebung erhoffend
auf Knien mit dem kurzen Moment der Einsicht, mit klarem Blick sähe,
wie wunderbar sie ist,
bis zum nächsten Vergessen.
Ich könnte warten auf Sonnenschein
und in Gedanken am Ende der Woche sein,
dabei das Glück verpassen und den perfekten Moment,
vergessen unter all den perfekten.
Denn ich könnte auch hier nackt umherlaufen
und jetzt mich nicht daran stören.
Ich könnte Klavier spielen lernen,
Kunstwerke erschaffen und mit Formeln hantieren,
oder Berge erklimmen und Meere durchschwimmen.
Ich könnte…
Ich könnte alles tun, doch wo führt es mich hin?
Statt zu lieben und zu leben,
verfallen wir einem blinden Streben
nach alle dem, was unser nicht ist,
im Rausch der unbegrenzten Möglichkeit,
verpassen wir das Glück und warten auf den richtigen Augenblick,
vergessen unter all den richtigen.
Und hätte…
Und hätte ich doch nur.
Hätte ich doch nur den Müll rausgebracht
und meiner Liebe zugehört,
mit ihr gestritten, mich versöhnt, gelacht,
statt gestört gefühlt durch alles herumzulamentieren,
dann säße ich jetzt nicht alleine da,
starr, nackt im Abendschein des Mondes
in meiner Burg aus Pizzaschachteln,
schon wieder in Selbstmitleid badend,
in einem leeren Haus verwaisend
ohne das Lachen meiner Kinder,
ohne das Lächeln meiner Liebe,
ohne das, was Glück und was Zuhause ist.
Und hätte ich mehr gelesen und mehr gelernt,
statt blind geglaubt und abgeschaut,
dann wäre ich jetzt Millionär oder Kosmonaut
statt unglücklich in meiner Haut,
und säße nicht alleine da
mit meiner verschlissenen Seemannsbraut,
denn ich wäre reich und könnte mir alles leisten
und jeden Fehler wiederholen,
um am Ende des Lebens verstohlen
in den Spiegel meiner Selbst zu schauen,
in ein altes Gesicht ohne Liebe und ohne Zuversicht.
Doch hätte ich den Mut gehabt,
sie anzusprechen, ihr meine Liebe zu gestehen,
hätte ich doch nur den Mut gehabt,
mein Leben zu leben,
statt mich dem Leben zu ergeben.
Dann wäre ich glücklich, so glaube ich’s.
So finden wir nur unser Unheil, das wir mit Masken und Ergüssen
mit momentanen Genüssen zu füllen versuchen,
mit allem, nur nicht im Alleinsein mit oder ohne dem Einsamsein
mit dem leeren Raum, den es braucht.
Stattdessen:
Mit Bourbon, Vodka oder Rum.
Mit Gras, Kristallen oder Koks.
Mit Keuschheit, Pornos oder Promiskuität.
Mit Religion und Atheismus.
Mit Status und Statuten.
Mit Materialismus und Geld.
Mit Fressen in einer fettleibigen Gesellschaft
und Diäten in einer hungernden Welt.
Mit Fernsehen und einem politischen Theater.
Mit Kriegen und Sport und Spielen.
Mit Streit über Nichts und Wut auf alles.
Mit Blindheit und Ignoranz.
Mit Gedankenspielen von Dingen, die anders sein könnten,
von Dingen, die hätten anders sein können,
umgeben wir uns und versuchen
unser Glück zu füllen, und hüllen
uns ein mit der Zukunft und Vergangenheit.
Doch ohne wahrhaftig zu sein und wahrhaftig zu sehen
An uns zu arbeiten und uns nach etwas Höherem zu sehnen
Bis es zu spät ist mutig und tapfer zu sein
Großzügig und voller Demut
Bis es hierzu zu spät ist
Zu spät liebevoll und dankbar zu sein
Weil niemand mehr da ist
Zu spät jemand anders oder unser wahres Ich zu sein
Weil unsere Zeit nun um ist
Zu spät…
Und wir verlassen diese Welt
Ohne gelebt
Ohne geliebt
Ohne unser Glück gefunden zu haben.
Statt zu leben und zu lieben,
verfallen wir einem blinden Streben
nach alle dem, was unser nicht ist,
im Rausch der unbegrenzten Möglichkeit
verloren.
So sind wir alle in Wahrheit nur Kosmonauten
auf der Suche nach dem Glück
und schweben darum mit bestem Blick
auf alles das, was wir haben könnten.
Doch das Glück liegt, obwohl in Allem verborgen,
im Nichts.
Unter der Traurigkeit liegt das Glück verborgen,
wenn wir uns, statt abzulenken,
dem Gefühl der Trauer anvertrauen,
uns spüren und weinen, wird es in jeder Träne sichtbar sein.
Unter Scham liegt das Glück verborgen,
wenn wir uns, statt zu verkriechen und bunt anzulaufen,
zu uns stehen und dem Moment ergeben.
Unter Angst liegt das Glück verborgen,
wenn wir uns ihr stellen.
Unter Hass, wenn wir ihn erkennen
und wir vergeben.
Unter Verletzlichkeit, wenn wir uns anderen zeigen
als das, was wir sind und nicht nur vorgeben zu sein.
In Intimität und Nähe.
In Offenheit und Wahrheit.
In Dankbarkeit und Demut,
darin am allermeisten.
Es ist einfach das Glück zu finden,
wenn man es nur will,
verborgen in einem einfachen Leben.
Einem Leben, das in einem Augenblick mehr Tiefe und Wahrheit trüge,
als 88 Jahre gefangen in einer Lüge
und einem Konstrukt der Angst
und tauber Hoffnungslosigkeit
und mehr geben kann als reine Oberflächlichkeit.
So sage ich:
Schau dich um und sieh das Glück.
Sieh die Wunder, die dich umgeben, des Augenblicks
lächel und tanze und erlebe, als ob es kein Morgen gäbe,
achte auf dich, auf dein Herz und deine Seele,
deinen Körper und deinen Geist,
und sieh sie als die kostbaren Geschenke an, die sie sind.
Achte auf andere, als ob sie eins mit dir wären,
damit sie eins mit dir werden,
und nimm nichts als Selbstverständlichkeit an,
da nichts selbstverständlich ist.
Lebe deine Passion, in der Zeit die dir bleibt
und stirb jung, statt in einem Körper früh ergraut
und Knochen aus Papier, leblos in der Brust.
Es ist dein Leben!
Was haben wir in diesem Leben zu verlieren
außer unser Leben und unsere Liebe?
Es ist Zeit, langsam zu leben und heftig zu lieben.